Wie bei vielen europäischen Likören reicht auch die Geschichte von Maraschino weit zurück. Zwar nicht so weit wie die des durchschnittlichen Amaro, die meist viele hundert von Jahren alt sind, aber dennoch.
Und Maraschino kann seit seiner Erfindung Mitte des 18. Jahrhunderts auch auf eine recht bewegte Geschichte zurückblicken.
Über Maraschino
Maraschino bezeichnet einen klaren, trockenen Likör, mit einem bitteren Kirschgeschmack und leichtem Mandelaroma. Manchmal ist mit Maraschino auch nur die Kirschsorte gemeint, aus der der Likör hergestellt wird - entweder in ihrer natürlichen Form oder kandiert zum Garnieren von Cocktails oder Desserts.
Aber es war der Likör, der den Begriff international bekannt gemacht hat, und bis heute hat sich an der Popularität nichts geändert. Dank des einzigartig trockenen, leicht bitteren Mandel-Kirsch-Geschmacks ist er eine sehr beliebte Cocktailzutat und in Bars auf der ganzen Welt zu finden.
Wenn du mehr über den Likör, die Verwendung in Cocktails oder über die Kirschen wissen möchtest, lies auch:
- Was ist Maraschino Likör
- Was sind Maraschino-Kirschen? - Die echten, nicht die neonpinken Imitationen.
- Selbstgemachte Maraschino-Kirschen für Cocktails (mit Rezept)
Aus Stroh geflochtene Verpackung
Bevor wir uns der Geschichte des Maraschino widmen, darf eine weitere Sache nicht unerwähnt bleiben - das geflochtene Strohkörbchen um Vintageflaschen.
Heute wird der Kirschlikör in modernen Flaschen mit eleganten Etiketten angeboten. Mitte des 19. Jahrhunderts sah er noch ganz anders aus. - Unabhängig von der Marke hatten alle ein handgeflochtenes “Körbchen” aus Stroh. Viele fragen sich, was es damit auf sich hatte, und die Antwort ist nicht sehr glamourös:
Da Maraschino ein so beliebter Exportartikel war, mussten die Flaschen weit reisen, was damals nicht ganz so einfach war wie heute. Das geflochtene Stroh diente also schlicht und einfach dem Schutz während des Transports.
Ursprung
Viele denken, dass Maraschino eine Marke ist oder dass es zumindest ein Produkt gibt, welches DAS Original ist - Luxardo. Doch auch wenn Luxardo sich irgendwie schon Recht als das Original bezeichnen darf, entspricht es nicht der ganzen Wahrheit.
Likör aus Marasca-Kirschen hat eine jahrhundertelange Tradition in der Region Dalmatien, die heute zu Kroatien gehört, aber vor mehr als 250 Jahren noch unter der Verwaltung der souveränen Republik Venedig stand.
Drioli's Maraschino
Der erste, der Maraschino industriell hergestellt hat, war der venezianische Kaufmann Francesco Drioli. Er hatte es geschafft, eine Destillationstechnik zu perfektionieren, die vorher ein Apotheker aus Bergamo und der Cafébesitzer Giuseppe Carceniga aus Zadar entwickelt hatten und die seit 1730 zur Herstellung von Likör aus Maraschino-Kirschen verwendet wurde.
Drioli gründete daraufhin seine Fabbrica di Maraschino Francesco Drioli im Jahr 1759. Innerhalb von weniger als 20 Jahren machte er sich mit seinem Kirschlikör in ganz Europa einen Namen.
England war eines der ersten Länder, das Driolis Maraschino in größeren Mengen importierte. Schon 1779 konnte man in Zeitungsannoncen lesen, dass der Likör aus Zadar "einen vorzüglichsten Geschmack" habe. Zu der Zeit war er ausschließlich dem Adel und der Elite vorbehalten. Hier ein Auszug aus der Morning Post vom 17.Juni.1779:
Im Jahr 1804 verlieh der österreichische Kaiser Franz II. Drioli das prestigeträchtige kaiserliche Privileg, das ihn dazu berechtigte, das königliche Wappen auf dem Flaschenetikett zu verwenden. Großbritannien und Italien taten es ihm bald gleich.
Ende des 18. Jahrhunderts befand sich Francesco Drioli auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Doch großer Erfolg zieht große Konkurrenz an, und da Maraschino in Europa immer beliebter wurde, traten bald andere Hersteller auf den Plan.
Die Maraschino-Industrie von Zadar
1821 erschien Girolamo Luxardo auf der Bildfläche, 1861 folgte Romano Vlahov. Unter der Leitung von Drioli bildeten sie zusammen mit einigen anderen, weniger bekannten Destillateuren die sogenannte l' industria del maraschino di Zara - die Maraschino-Industrie von Zadar.
Fast ein ganzes Jahrhundert lang lief alles ziemlich reibungslos. Die Nachfrage nach dem berühmten Kirschlikör war mehr als ausreichend, um die gesamte Industrie in Gang zu halten. Über die Jahrzehnte wurden Rezepte und die Destillationstechniken von Generation zu Generation weitergegeben. Selbst während des Ersten Weltkriegs gelang es, die Produktion aufrechtzuerhalten.
Das Ende des Zweiten Weltkriegs markierte dann aber das Ende von Maraschino in Zadar sein - das Ende einer Ära. Die Bombardierung von Zadar und die Unabhängigkeit Jugoslawiens vertrieben viele Unternehmen aus der Region. Dazu gehörten eben auch die Brennereien Drioli, Luxardo und Vlahov.
Die drei Giganten der Branche flüchteten nach Italien und bauten ihre -jetzt modernisierten- Fabriken in der Nähe von Venedig (Drioli), Padua (Luxardo) und Bologna (Vlahov) wieder auf. Innerhalb von weniger als einem Jahr war alles für einen Neuanfang in Italien vorbereitet, und 1946/47 waren alle schon wieder im Geschäft.
Das Ende von Drioli und Vlahov
Vittorio Salghetti-Drioli führte Drioli in der sechsten Generation bis in die 1970er Jahre. Über die Zeit zwischen 1946 und 1970 ist nur sehr wenig bekannt. Nach mehr als 200 Jahren stellte das älteste Maraschino-Unternehmen jedoch aus nicht näher genannten Gründen die Likörproduktion ein und gab den Betrieb auf.
Darüber, was aus Vlahov wurde, gibt es leider noch weniger Informationen, aber auch dieses Unternehmen wurde letztendlich geschlossen.
Nach dem Tod von Vittorio Drioli im Jahr 1974 bauten seine Erben eine neue Distillerie (DI. VE. MI. - kurz für Distillerie Venete Mira Spa), um das alte Rezept weiterleben zu lassen. Diese Bemühungen stellten sie aber 1980 schon wieder ein und lösten das Unternehmen noch im selben Jahr auf.
Was von dem einst so blühenden Likör-Imperium übrig geblieben ist, sind unzählige Dokumente, die im Staatsarchiv von Zadar aufbewahrt werden. Die alten Bücher und Unterlagen sind dabei nicht nur für die Geschichte von Maraschino von Bedeutung. Sie enthalten wertvolle Berichte über historische Ereignisse aus der Region über eine Zeitspanne von mehr als 200 Jahren.
Maraschino heute
So wenig wie darüber bekannt ist, was aus Drioli und Vlahov wurde, so genau wissen wir es von Luxardo. Es ist die einzige Marke der legendären Maraschino-Industrie von Zadar, die bis heute überlebt hat. Und das auch unglaublich erfolgreich.
Die fünfte Generation der Luxardos hatte ihre modernisierte Fabrik in Torreglia, einem Dorf im Nordosten Italiens, wiederaufgebaut. Innerhalb weniger Jahre war die Marke wieder etabliert und - nachdem Drioli und Vlahov aus dem Geschäft waren - wurde Luxardo Maraschino-Likör bald als das Original bekannt.
Bis heute ist Girolamo Luxardo S.p.A. die Nummer eins unter den Herstellern des beliebten Kirschlikörs und wird derzeit von drei Generationen der Luxardos geführt.
Aber nicht das gesamte Erbe der anderen Mitglieder von Zadar’s Maraschino Industrie ist verloren. Alle Anlagen, Unterlagen, etc., die nach dem Zweiten Weltkrieg von den Unternehmen beschlagnahmt wurden, wurden mittlerweile in einem neuen Unternehmen mit einer neuen Fabrik zusammengebracht.
Seit 1946 stellt das Unternehmen den Kirschlikör unter dem Namen Maraska in den ehemaligen Anlagen von Luxardo her. Theoretisch könnte man also auch dieses Produkt als Original ansehen (im Grunde ziemlich ähnlich der Story hinter Havana Club Rum).
Natürlich wollten auch einige andere Hersteller ein Stück vom Kuchen und somit gibt es heute eine ganze Reihe von Maraschino-Marken zur Auswahl in Supermarktregalen und Onlineshops.