Was sind Tiki-Cocktails? Die meisten Menschen haben eine mehr oder weniger vage Vorstellung davon, was einen Drink tropisch macht. Irgendwie fruchtig, farbenfroh und serviert an einer Strandbar.
So ganz stimmt das allerdings nicht. Und wenn man sich anschaut, wie diese moderne Tiki-Trinkkultur entstanden ist, ist es auch wenig verwunderlich, dass kaum jemand weiß was damit eigentlich gemeint ist.
Manche Drinks scheinen eindeutig das Zeug zu einem Tiki-Cocktail zu haben, sie sind fruchtig, sommerlich und süß, und dennoch nicht Tiki.
Bei anderen Drinks kommt der Tiki-Vibe nicht so richtig rüber, aber tatsächlich gehören sie zweifelsfrei in diese Kategorie. Der Navy Grog zum Beispiel. Was braucht ein Cocktail also, um ein Tiki zu sein?
Woher kommt der Begriff Tiki?
Das Wort Tiki geht auf Neuseeland und Polynesien zurück. Es stammt von den Māori und bezeichnet Stein- oder Holzschnitzerei in menschenähnlicher Form.
Diese Schnitzereien haben oft stechende Augen und einen verzerrten, bedrohlichen Ausdruck. Sie stellen hauptsächlich polynesische Götter, aber auch Urahnen oder andere wichtige Figuren der polynesischen Kultur dar.
Die sinnhafte Bedeutung von Tiki ist gleichzusetzen mit Adam in der christlichen Kultur. Es ist Māori für den ersten Menschen auf der Erde. Also absolut nichts, was auch nur im Entferntesten mit Hawaii, der Karibik, geschweige denn mit Alkohol und Cocktails zu tun hat. Wie kam es also zu dieser Assoziation?
Mit der zunehmenden Verbreitung von Fernreisen im frühen 20. Jahrhundert wurde die Māori Tiki-Kultur in der westlichen Welt bekannt.
Besonders in den 1930er Jahren erlangte diese damals fremdartige Kultur große Popularität. -Diese wuchs weiter, als die Soldaten nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Südpazifik zurückkamen. Und damit begann auch bald der Hype.
Ursprung moderner Tiki-Kultur & der Tiki-Cocktails
Nach dem Ende der Prohibition eröffnete der Texaner Ernest Raymond Beaumont-Gantt die erste Tiki-Bar in Hollywood, Kalifornien.
Wer schon mal etwas über Tiki-Kultur gelesen hat, denkt nun vielleicht, dass es doch Donn Beach war, der die erste Tiki-Bar eröffnete - sein berühmter Don the Beachcomber. Und genau so ist es auch. Ernest Raymond Beaumont-Gantt und Donn Beach sind nämlich ein und dieselbe Person.
Beaumont-Gantt änderte seinen Namen in Donn Beach, um ihn an sein Restaurant anzupassen, nachdem es sich als so ein unglaublicher Erfolg erwiesen hatte.
Don the Beachcomber
Nach drei Jahren im Geschäft hatten Donn und seine Freundin Sunny (Cora Irene Sund) genug Geld auf der Seite, um in ein größeres Lokal auf der anderen Straßenseite umzuziehen.
Sie dekorierten das neue Lokal mit Fischernetzen, Bambus und allerlei anderen Dingen, die man mit Polynesien und tropischen Regionen verbinden kann. Hier boten sie den Kunden exotische Getränke an -meist mit Rum und Cocktailschirmchen. Dazu gab es kantonesische Küche mit viel Ananas und Kokosnuss.
Heute ist Donn Beach als der Vater der modernen Tiki-Kultur berühmt. Er soll insgesamt 84 Cocktailrezepte erfunden haben, darunter zum Beispiel den berühmt-berüchtigten Zombie.
Tiki-Hype nach dem Zweiten Weltkrieg
Ungefähr zu der Zeit, als der Zweite Weltkrieg endete, öffnete eine Restaurantkette namens Trader Vic's die Türen - gegründet von Victor Jules Bergeron.
Er übernahm quasi das Konzept von Donn Beach's mit tropischer Dekoration, bunten, exotischen Cocktails, Rattan und Bambus, Fackeln, etc. etc. Und bei den aus dem Südpazifik zurückkehrenden Soldaten wurde Trader Vic schnell ein Erfolg.
Victor Bergeron soll z.B. den Mai-Tai-Cocktail erfunden haben, kurz nach Eröffnung des Restaurants. Allerdings gibt es auch Quellen, die meinen, Donn Beach wäre auch für den Mai Tai verantwortlich.
Was allerdings keiner von beiden für sich beanspruchen kann, sind die charakteristischen Tiki-Becher aus Keramik mit Gesichtern, inspiriert von Māori-Tiki-Kunst oder Hula-Mädchen. Diese kamen in den USA erst in den späten 1950er Jahren auf.
Wie wurde die polynesische Kultur hawaiianisch?
Wie es dazu kam ist eine etwas komplizierte Geschichte:
Don the Beachcomber wurde eigentlich mehr von seiner Frau Sunny geleitet und aufgebaut als von Donn selbst. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, wurde Donn eingezogen und baute Erholungszentren für Soldaten.
Als er schließlich zurückkehrte, fand er ein florierendes Unternehmen vor, das auf ganze 16 Standorte in den USA angewachsen war.
Leider kehrte er auch zu einer Ehe zurück, die schon bald nach seiner Rückkehr in die Brüche ging. Und nach der Trennung bestand Sunny darauf, die Rechte an der Marke und dem Unternehmen zu behalten.
Sie hatte immerhin den größten Teil der Arbeit geleistet und das Unternehmen erfolgreich gemacht. Als es schlussendlich zu einem Rechtsstreit kam, gewann Sunny diesen auch, und Donn durfte nicht einmal mehr den Namen Don the Beachcomber verwenden. -Innerhalb der USA…
Da Hawaii aber damals noch kein US-Bundesstaat war, war Donn clever und wanderte aus, um dort unter dem Namen Don the Beachcomber ein neues Lokal zu eröffnen. Und auch das wurde ein immenser Erfolg. Das wiederum war der Grund dafür, dass der hawaiische Lebensstil und die Tiki-Kultur sich vermischten.
Von den vielen Don the Beachcomber- und Trader Vic's-Restaurants haben allerdings nur wenige die Jahrhundertwende miterlebt. Vor ein paar Jahren, im April 2018, gab das letzte Don the Beachcomber am Sunset Beach in LA bekannt, dass es noch im selben Monat seine Pforten schließt.
Auch von den ehemals mehr als 30 Trader Vic's-Restaurants sind bis heute nur noch zwei im Geschäft - eines in Atlanta, GA, das andere in Emeryville, CA.
Was macht jetzt also Tiki Cocktails aus?
Zurück zu den Cocktails… Wie kurz erwähnt, werden unzählige Drinks als Tiki kategorisiert, und es ist schwer den gemeinsamen Nenner zu finden.
Am ehesten kann man wohl sagen, dass alle Tiki-Cocktails tropisch - also südpazifisches, hawaiianisches oder karibisches - angehaucht sind.
Da es sich bei Tiki um ein Fantasie-Genre handelt, das Donn Beach sich ausgedacht hat, gab es für ihn keinen Grund, das Konzept genau zu definieren. Tatsächlich hat er anfangs nicht einmal den Begriff Tiki verwendet. Die Notwendigkeit, dem Baby einen Namen zu geben, kam erst viel später.
Ein paar Gemeinsamkeiten gibt es aber doch: Die Basis für Tiki-Cocktails besteht in der Regel aus Rum, Limettensaft und Zucker. Diese drei Zutaten sind sozusagen die Essenz aller Tiki-Cocktails.
Aber natürlich gibt es auch Ausnahmen. Der Chi-Chi zum Beispiel wird als Tiki klassifiziert, enthält aber Vodka statt Rum. Dann gibt es noch einige Grenzfälle: Die Piña Colada ist technisch gesehen nicht Tiki, weil sie zu süß ist, trotzdem wird sie meist der Kategorie zugeordnet.
Außerdem macht Tiki-Cocktail noch etwas anderes aus: aromatisierter Sirup. Donn Beach hat sogar eine Formel namens Donn's Mix entwickelt, die er vielen seiner Cocktails beigemischt hat. Er hielt die Zutaten lange geheim, aber heute ist bekannt, dass es sich dabei um Zimtsirup gemischt mit Grapefruit handelt.
Die “Holy Trinity” der Tiki Cocktails
Der Begriff Holy Trinity (Heilige Dreifaltigkeit) bezieht sich in diesem Zusammenhang auf die drei einflussreichsten Cocktails der modernen Tiki-Kultur.
Der erste dieser drei Cocktails ist in der Tat der Navy Grog. Das ist für viele sicher überraschend, da Grog für uns erst mal überhaupt nichts Exotisches bedeutet.
Nichtsdestotrotz ist der Grog weithin als der allererste Tiki-Cocktail anerkannt. Er besteht aus Rum, Wasser, Zitrussaft und Zucker.
Die anderen beiden Drinks sind der Zombie und der Mai Tai. -Der Zombie ist eine der ersten Kreationen von Donn Beach und ein sehr komplexer Cocktail, für den man eine lange Liste an Zutaten braucht. Er enthält mehrere Rumsorten, Falernum, Pernod, Fruchtsäfte, Bitter, Grenadine und natürlich Donn’s Mix.
Der Mai Tai ist - nach aktuellem Kenntnisstand - eine Erfindung von Victor Bergeron für Trader Vic's. Er besteht aus Rum, gemischt mit Curaçao, Limettensaft und Orgeat.
Beliebte Tiki Cocktails
Aber abgesehen von den drei genannten gehören noch unzählige andere Cocktails in die Kategorie Tiki. Hier sind sechs der berühmtesten. Weitere findest du in unserer Liste der beliebtesten Tiki-Cocktails.
Planter's Punch
Variationen des Planter's Punch gibt es bereits seit den 1800er Jahren. Der Cocktail wurde im Laufe der Zeit verfeinert und verändert, und die Version, die wir heute kennen, entstand auf dem Höhepunkt der Tiki-Bewegung.
Der beliebte Tiki-Drink enthält Rum, Limettensaft, einfachen Sirup, Club Soda und Angostura-Bitter.
Swimming Pool
Der Swimming Pool Cocktail ist durch seine blaue Farbe fast unverkennbar. Manche stören sich an dem künstlich wirkenden Blau, während andere ihn gerade deshalb lieben.
Neben Rum und Vodka enthält der Swimming Pool Blue Curaçao, süße Sahne, Ananassaft und Kokoscreme.
Dark'n'Stormy
Der Dark'n'Stormy ist ein mit Ingwer gewürzter Tiki-Drink, der eigentlich von den Bermudas stammt. Er besteht aus Rum, Limettensaft, Zuckersirup, Angostura Bitters und Ingwerbier.
Painkiller
Der Painkiller ist eine Abwandlung der Piña Colada. Neben Rum enthält er Orangensaft, geriebene Muskatnuss und die typischen Piña Colada-Komponenten: Ananassaft und Cream of Coconut - nicht zu verwechseln mit Kokoscreme.
Singapore Sling
Der Singapore Sling hat seinen Ursprung im Raffle's Hotel in Singapur. Der Drink ist ein klassischer Tiki-Cocktail, besonders was die lange Liste der Zutaten angeht.
Allerdings weniger, was die Basisspirituose betrifft, denn das ist normalerweise Gin zubereitet. Zusätzlich enthält der Singapore Sling Grand Marnier, Kirschlikör, Rotwein, Fruchtsäfte, Bitter und Soda.
Cobra's Fang
Der Cobra's Fang Cocktail ist eine der vielen Erfindungen von Donn Beach. Das Besondere ist, dass er Absinth enthält - allgemein selten in Cocktails zu finden, aber noch seltener in Tiki-Cocktails.
Daneben brauchst du eine Mischung aus Jamaika- und Demerara Rum, Falernum, Fassionola-Sirup, Orangen- und Limettensaft sowie Bitters.
Ethische Aspekte
Die Tiki-Kultur, von der wir hier sprechen, ist eine rein amerikanische Erfindung. Und die Frage, ob diese Bezeichnung angemessen ist, gewinnt in der heutigen Zeit immer mehr an Bedeutung.
Zur Erinnerung: Tiki bezieht sich in der ursprünglichen Bedeutung auf die Māori-Götter und nicht auf lustige Cocktails. Und da gibt es natürlich gute Gründe für eine Debatte darüber, wo die Grenze zwischen Kommerzialisierung und Respekt zu ziehen ist.
Das Thema Respekt vor anderen Kulturen und Ethnien ist heute präsenter denn je. Als Lösung dazu gibt es die Bezeichnung Tropische Cocktails. Das ist respektvoll und außerdem genauer, wenn man bedenkt, dass hier Einflüsse des Südpazifik, von Hawaii und den karibischen Inseln vermischt werden.